Könnten Wände sprechen...
Würden Wände sprechen, könnten sie die faszinierende Geschichte der Firma Gabler Band erzählen – eines Ortes, der Zeuge der Anfänge der österreichischen Industrie war. Die Textilfabrik im Trauner Stadtteil St. Martin war Teil einer historischen Industrieachse, die sich von Stadl-Paura bis Linz-Kleinmünchen erstreckte. Sie prägte nicht nur das Stadtbild, sondern war auch ein Denkmal für gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Veränderungen.
Die Wände dieser Fabrik erzählen von technischem Fortschritt, sozialer Entwicklung, Unternehmergeist und Arbeiterbewegung. Von Wirtschaftszyklen, Krisen, politischem Wandel und dem Wachstum der Gemeinde Traun. Diese Geschichte spiegelt sich in den alten Hallen wieder, wo einst durch Wasserkraft und später durch Dampfturbinen betrieben, lange Zeit gefärbt, gewebt und gesponnen wurde.
Zur gesamten Anlage gehörte außer den Produktionsstätten noch eine Werkssiedlung und ein Park mit Herrenvilla, welcher sich mittlerweile im Besitz der Gemeinde befindet.
Aufgrund ihres kultur- und identitässtiftenden Charakters war die Fabriksanlage beliebt, als Motiv für Post- & Ansichtskarten und prägt weiterhin den Stadtteil St. Martin.
Der Aufstieg einer Industrieikone
Frühe Jahre (1830–1880)
- 1830: Errichtung des ältesten Gebäudes auf dem Gelände der Obermühle.
- 1842–1848: Fabriksgründung durch Johann Grillmayr, der das Gelände für die Textilproduktion adaptierte.
- 1845: Die Firma Kubo & Schimak startete die Produktion mit 10 Spinnmaschinen und 84 Beschäftigten.
- 1880: Unter Peter Kubo wuchs die Firma auf 15.500 Spindeln und beschäftigte 208 Arbeiter.
Expansion und technische
Innovation (1881–1894)
- 1882: Ein viertes Stockwerk wurde dem Hauptgebäude hinzugefügt, zusammen mit einem Walmdach und weiteren Zubauten wie dem Verbindungstrakt, dem Wohnhaus und einer Tratorie.
- 1883–1888: Neue Anlagen wie eine Wärmestube für Arbeiter, eine Dochtweberei und ein Turbinenhaus wurden errichtet.
- 1894: Der erste kolorierte Lageplan der Fabrik wurde erstellt.
Wichtige Entwicklungen und Inhaberwechsel (1895–1903)
- 1895: Errichtung eines Feuerwehrdepots, einer Leichenkammer, einer Dampfkesselanlage sowie einer Färberei und eines Baumwollmagazins.
- 1897: Die Betriebsinhaber wechseln zu Carl Paradeis, Leopold Österreicher und Josef Posch, den Nachfolgern von Kubo.
- 1898: Franz Schulda übernimmt gemeinsam mit Leopold Österreicher und Josef Posch die Führung. In diesem Jahr werden auch ein neues Magazingebäude und eine Fischzuchtanstalt errichtet.
- 1899: Das Firmengelände wird von Alb. Honegger auf einem Gemälde festgehalten – ein wichtiger Schritt in der Dokumentation der Geschichte des Gabler Band.
- 1900: Franz Schulda wird zum alleinigen Betriebsinhaber.
- 1902: Die Firma geht in Konkurs. Es gibt Befürchtungen vor Arbeiteraufständen, aber die Gemeinde Traun bemüht sich, die Beschäftigung der Arbeitnehmer zu sichern und die Produktion bis Anfang 1903 fortzuführen.
Krisen und Konjunktur (1900–1945)
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte erhebliche Herausforderungen. Nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 konnte die Gabler Band AG durch Spezialisierung den wirtschaftlichen Einbrüchen größtenteils entgehen. Während des Zweiten Weltkrieges war die Fabrik geprägt von Symbolik, ideologischen Führerkundgebungen und sportlich – militärischen Aktivitäten im Sinne von Betriebs- und Volksgeist. Der Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich brachte große Veränderungen mit sich. Die Gabler Band AG wurde in das deutsche Wirtschaftssystem integriert.
- 1903: Franz Fashold übernahm die Fabrik, die nun unter dem kaiserlichen Adler produzierte.
- 1905: Erbauung von sechs ebenerdigen Arbeiterwohnhäusern, welche 2019 von Brunner Bau generalsaniert wurden.
- 1906: Ein neues Feuerwehrdepot und ein Wächterhaus wurden erbaut. Die Gemeinde Traun unterstützte den Bau von Arbeiterwohnhäusern, indem sie den Betrieb von einem Teil der Gemeindesteuern befreite.
- 1907: Errichtung eines Kinderheims.
- 1910: Ausbau des Turbinenhauses und der Wasserwerksanlage, sowie Errichtung einer Kegelbahn und Erweiterung des Magazingebäudes.
- 1914–1918: Der Erste Weltkrieg und die darauffolgende Inflationsperiode stellten den Betrieb vor große Herausforderungen. Die Inhaber reagierten jedoch mit weiteren Erweiterungen, wie dem Bau eines Wasserturms und Stiegenanlagen mit zwei Aufzügen zwischen 1917 und 1919.
- 1915: Franz Gabler wurde der neue Eigentümer der Fabrik, wodurch die Ära Gabler begann. Der Betrieb vergrößerte in dieser Zeit seine Färberei, baute ein neues Generatorenhäuschen und startete eine Betriebsstätte zur Sodawassererzeugung.
- 1921: Nach dem Krieg wurden die Häuser der Arbeitersiedlung aufgestockt, und die Appretur sowie die Färberei erweitert, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.
- 1923: Trotz der wirtschaftlichen Instabilität in der Zeit nach dem Krieg, einschließlich hoher Arbeitslosigkeit und der Stabilisierungskrise, wurde eine Dampfspeicheranlage errichtet und eine Schlosserei mit elektrischem Betrieb eingerichtet.
- 1924–1928: Die wirtschaftliche Lage stabilisierte sich und der Betrieb profitierte von einer Hochkonjunkturphase.
- 1926: Die Bleiche der Fabrik wurde erweitert, um den gestiegenen Produktionsanforderungen gerecht zu werden
- 1929–1933: Trotz der Weltwirtschaftskrise hielt die Gabler Band AG durch, während viele andere Unternehmen strauchelten.
- 1936: Eine neue Weberei (alte Shedhalle) wurde hinzugefügt, um die Produktion weiter zu steigern. Dies war Teil einer größeren Expansion der Fabrik in den 1930er Jahren, die auf die zunehmende Nachfrage nach Textilien reagierte.
- 1939: Neue Erweiterungen wurden vorgenommen, darunter der Bau einer Tischlerei und zweier Magazine sowie die Errichtung einer neuen Bleicheranlage und eines Färbereimaschinenraums.
- 1945: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand sich die Gabler Band AG wie viele andere Unternehmen in einer schwierigen Lage wieder. Die Infrastruktur war beschädigt und der Wiederaufbau würde Jahre in Anspruch nehmen.
Nachkriegszeit und Neuaufbau (1949–1993)
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann eine Phase des Wiederaufbaus. Die Fabrik musste sich an die veränderten politischen und wirtschaftlichen Bedingungen anpassen, aber die Produktion florierte weiterhin.
- 1949: Errichtung einer neuen Shedhalle am Standort in Traun als Ersatz für einen Standort eines Tochterunternehmen in einem durch den Krieg verloren gegangenen Gebiet.
- 1950–1975: Zahlreiche Neubauten und Erweiterungen wurden durchgeführt, darunter ein Kesselhaus, eine neue Färberei, eine Trafostation, ein Zubau an die neue Shedhalle und eine neue Brücke über den Weidinger Bach.
- 1987: Ausgleich der Firma Gabler OHG – Verkauf an die Trierenberg Holding, Traun. Zubau einer Weberei an die bestehende Shed Halle.
- 1993: Eine Generalsanierung der Anlage, mit dem Abriss veralteter Gebäudeteile (Dochtweberei, Magazingebäude, Portierhaus, Wärmestube und Tratorie) und der Errichtung eines Hochregallagers sowie Sanierung der Weberei und Färberei, sicherte die Fortführung der Textilproduktion.
1995: Verkauf an die Berger-Group – Umgründung in die Gabler-Band Aktiengesellschaft.
Übersichtsplan der alten Gabler Band

Erhalt und Zukunft
Die Geschichte der Gabler Band AG ist nicht nur eine industrielle Erfolgsgeschichte, sondern auch ein Spiegelbild der sozialen und politischen Veränderungen in Österreich. Heute steht die Anlage als Denkmal für den Unternehmergeist und die Entwicklung der Arbeitswelt. Sie bleibt ein wichtiger Bestandteil der städtischen Identität Trauns und ein Symbol für Österreichs industrielle Vergangenheit. Die historischen Gebäude – das Fabrikshauptgebäude, der Quertrakt und das Wohnhaus – sind nicht nur architektonisch wertvoll, sondern auch ein bedeutendes Zeugnis der Industrie-, Sozial- und Stadtgeschichte Trauns. Ihr Erhalt ist von großem Interesse für die Allgemeinheit und bietet vielfältige Möglichkeiten für eine nachhaltige Nachnutzung.
Der Wasserturm, der aufgrund seiner Symbolkraft und prägenden Wirkung auf die Umgebung hervorsticht, verdient ebenso Beachtung wie das Turbinenhaus, das als technisches Herzstück der Fabrik gilt.
Alle Gebäude können durch eine kluge Nachnutzung weiterhin in die Zukunft strahlen, ohne dabei ihre historische Bedeutung zu verlieren – ein Erbe, das nicht nur an die Vergangenheit erinnert, sondern auch Raum für neue Ideen und Funktionen schafft.